Diese Domain gehört mir! – Die „Sunrise Period“

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Um die Jahrtausendwende gab es in Portugal Ärger. Denn der Redmonder Microsoft-Konzern musste in diesem einen europäischen Land notgedrungen als MSFT auftreten, da die bekannte Bezeichnung schon vergeben war. Bereits in den 1980er Jahren, als Bill Gates vermutlich gerade dabei war, seine Firma von einer Garage in ein echtes Büro zu übersiedeln, hatte das portugiesische Unternehmen Microsoft Informática den Namen registrieren lassen.  

Kurz gesagt: Die Portugiesen waren um Jahre oder gar Jahrzehnte schneller, und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. 

Dass Anfang der 2000er Jahre der Siegeszug des Internets in vollem Gange war, machte die Angelegenheit gleich doppelt bitter. Denn auch die portugiesische Microsoft-Domain gehörte bereits der anderen Firma. Dem Vernehmen nach wäre das Unternehmen durchaus bereit gewesen, über die Verwendung des Namens zu verhandeln, allerdings dürften die Redmonder diese Gespräche unnötig in die Länge gezogen haben. Daher entschlossen die Portugiesen sich ca. 2007 zu einem radikalen Schritt: Sie boten den bekannten Firmennamen auf eBay öffentlich zur Versteigerung an. Mindestgebot: eine Million Dollar.  

Und heute? 

Eine Geschichte wie diese könnte sich heute in der gleichen Form wohl nicht mehr wiederholen. Denn anders als vor zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren sind sich insbesondere global agierende Unternehmen der Existenz und der Bedeutung des Internets bewusst. Folglich können wir davon ausgehen, dass sich die Inhaber bekannter Marken ihre Domainnamen unter allen Top Level Domains (TLDs) von .ac bis .zw und von .com bis .org längst gesichert haben. Und wenn eine neue Marke oder ein neuer (Firmen-)Name erscheint, ist die Domain ebenfalls schneller weg, als man Dot-Com sagen kann. 

Die Krux an der Sache ist jedoch, dass dies nur bekannte und existierende TLDs betrifft. Denn sobald eine neue Top Level Domain eingeführt wird, könnte – theoretisch – das Spiel jedes Mal von vorne beginnen. 

Die ICANN 

Dass beispielsweise bei der Eingabe von www.easyname.at die richtige Seite aufgeht, liegt letztlich daran, dass die Jungs und Mädels von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (kurz: ICANN) ihren Job erledigt haben. Die ICANN ist eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Kalifornien, die für die Vergabe von IP- und Internet-Adressen, aber auch für die Einführung neuer Top-Level-Domains zuständig ist. 

Theoretisch kommt bei der Registrierung neuer Domain-Namen jener zum Zug, der schneller ist. Im Fall Microsoft (the Big One) vs. Microsoft (the Portugese One) waren das eben die Portugiesen. Fair gespielt, fair gewonnen, muss man sagen. 

Allerdings sind auch Fälle von Domain-Grabbing möglich: Dabei soll eine Unzahl bekannter Begriffe »auf Vorrat« registriert werden, um sie schließlich an die eigentlichen Markeninhaber zu verschachern. Um das zu verhindern, wurde eine bestimmte Vorgehensweise eingeführt, von der letztlich nicht nur große, multinationale Konzerne profitieren, sondern auch das kleine Garagen-Unternehmen nebenan. 

Das Trademark Clearinghouse 

Auf den ersten Blick lässt dieser Begriff vermuten, dass es sich um ein Gebäude handelt – man ist versucht, sich einen Silokomplex vorzustellen, der gleich neben dem Hauptsitz der ICANN aus dem Boden gestampft wurde. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine Datenbank, in der zentral Marken hinterlegt werden. Die Grundvoraussetzung dafür ist, dass diese Marken zumindest national in ein Markenregister eingetragen sein müssen. 

Achtung: Eine Eintragung in die Datenbank erfolgt nicht automatisch. Als Inhaber einer Marke musst du das selbst beantragen. Wenn aber alles in Ordnung ist, das heißt, es handelt sich tatsächlich um eine eingetragene Marke, bekommst du ein SMD-File.  

Das SMD-File 

Die Abkürzung SMD steht für Signed Mark Data. Dabei handelt es sich um ein digitales Dokument, das dir bestätigt, dass deine Marke tatsächlich rechtens eingetragen ist und dir gehört.  

Die Gültigkeit des SMD-Files entspricht der Gültigkeit des Eintrags im Trademark Clearinghouse, und diese läuft mindestens ein Jahr. Nach Ablauf des Jahres muss eine Verlängerung beantragt werden. Alternativ sind auch Laufzeiten von drei oder fünf Jahren möglich. Die Kosten betragen dabei derzeit 150 US-Dollar für ein Jahr, 435 Dollar für drei und 725 Dollar für fünf Jahre. 

Es ist auch erwähnenswert, dass sich eine Eintragung ins Trademark Clearinghouse immer auf die Gerichtsbarkeit bezieht, in der die Marke eingetragen ist. Hätte es die Datenbank in den 1980er Jahren schon gegeben, hätte Microsoft Informática wohl ohne Probleme einen Eintrag und ein SMD-File für Portugal erhalten. Mit einem US-Eintrag hätten sie dagegen wahrscheinlich Schwierigkeiten bekommen. 

Als Besitzerin oder Besitzer eines SMD-Files hast du nun im Wesentlichen zwei Vorteile. 

Die Sunrise Period 

Der erste Vorteil ist die Teilnahme an der Sunrise Period. Dabei handelt es sich um eine Frist von mindestens dreißig Tagen, die zu laufen beginnt, sobald eine neue TLD eingeführt wird. Als Markeninhaber hast du nun das Vorrecht, eine Domain für dich zu beanspruchen.  

Für Microsoft hätte dies in der eingangs geschilderten Situation keinen wesentlichen Vorteil gebracht, da die portugiesische Firma ihre Marke ja legal in ihrem Land eingetragen hatte. Das bedeutet, auf Portugal und die .pt-TLD bezogen, hätte nun das Prinzip First Come, First Serve gegolten: Wer sich für Portugal zuerst das SMD-File gesichert hätte, wäre auch bei der Domain zum Zuge gekommen. 

Da aber die Eintragung der Marke Grundvoraussetzung ist, hätte es eben nur diese beiden Kontrahenten gegeben. Domain-Grabber ohne rechtliche Grundlage hätten für die Dauer der Sunrise Period am Spielfeldrand stehen und zusehen müssen. 

Trademark Claims Service 

Der zweite Vorteil kommt nach dem Ablauf der Sunrise Period zum Tragen. Nun steht es im Prinzip jedem frei, eine Domain für sich zu registrieren – Domain-Grabber inklusive. Allerdings beginnt jetzt der Trademark Claims Service. Ein gültiges SMD-File vorausgesetzt, schützt dieser Service deine Marke auch dann, wenn du keine Domain registriert haben solltest. 

Will nun jemand anderer eine Domain registrieren, die einen Bezug zu deiner Marke hat, wird zunächst diese Person oder Firma davon in Kenntnis gesetzt, dass sie damit potentiell eine Markenrechtsverletzung begeht. Du selbst bekommst davon (noch) nichts mit. Denn falls daraufhin von der Registrierung Abstand genommen werden sollte, ist alles in Ordnung, nichts ist passiert. 

Erst wenn die Person oder Firma nun weiterhin darauf beharrt, die Domain zu bekommen, wirst du verständigt. Nun hast du die Möglichkeit, selbst die erforderlichen Schritte einzuleiten, um deine Marke doch noch zu schützen. 

An sich läuft dieser Service nur 90 Tage nach dem Ende der Sunrise Period. Allerdings gibt es für Klienten der Trademark Clearinghouse die Möglichkeit, ohne zusätzliche Kosten den Service »Ongoing Notifications« zu buchen. Damit läuft dieser Mechanismus auch über die Frist hinaus weiter. 

Wäre es damals schon möglich gewesen, wäre das Microsoft aus Redmond in dieser Phase wahrscheinlich verständigt worden, dass es einen Konflikt geben könnte. Da aber das andere Microsoft seine Marke ebenfalls legal – wenn auch nur lokal – eingetragen hatte, kann nur spekuliert werden, wie dieser Konflikt in diesem Szenario gelöst worden wäre. Aber zumindest wäre dem Konzern von Bill Gates eine böse Überraschung erspart geblieben. 

Fazit 

Die Eintragung ins Trademark Clearinghouse und der Erhalt eines SMD-Files bietet dir auf jeden Fall einen Schutz deiner Marke. Zusätzlich ermöglicht es dir, im Konfliktfall auf Augenhöhe mit Firmen und Konzernen zu agieren, die andernfalls dazu neigen würden, Horden von Anwälten von der Leine zu lassen. Denn wenn es tatsächlich einen Konflikt geben sollte, wären nun nicht die Gerichte, sondern die ICANN die erste Anlaufstelle. 

Ein Gewinn für alle. 

Günter Gerstbrein

Günter Gerstbrein, Jahrgang 1977, studierte technische Mathematik an der TU Wien und war etwa 13 Jahre in der Software-Entwicklung tätig. Als „Texter, der aus der Technik kam“ ist es sein Ziel, komplizierte Sachverhalte leicht verständlich und ohne viel Techno-Babble zu vermitteln.

Gerstbrein textet